St 2071, Hangsicherung Beigarten

Zur Stabilisierung des Hangrutsches zwischen Kloster Schäftlarn und Beigarten kommt mit dem Hydrozementationsverfahren ein außergewöhnliches Bauverfahren zur Herstellung von Erdbetonstützscheiben und eines Erdbetonrandbalkens zur Anwendung.

Ziel ist es die Hangrutschung zu sichern, so dass noch vor dem Winter die gesamte Fahrbahnbreite für die Verkehrsteilnehmer zur Verfügung steht.

Dieses Projekt wird kofinanziert von der Europäischen Union (EFRE).

Länge: 0,1 km

Kosten: 0,9 Mio. €

Projektstand: Fertiggestellt in 2023

Außergewöhnliches Bauverfahren zur Stabilisierung eines Rutschhanges

Kloster Schäftlarn – Beigarten / Staatsstraße 2071

·         Zielgebiet und Hintergrund

·         Geologie und Hydrogeologie

·         Kurzbeschreibung der Baumaßnahme

·         Das „HZV“, ein außergewöhnliches Bauverfahren

·         Naturschutz

·         Ziel

·         Kosten

·         Umleitung

·         Zahlen - Daten - Fakten

Zielgebiet und Hintergrund

Der Verlauf der Staatsstraße 2071 zwischen Kloster Schäftlarn und Beigarten führt auf der Ostseite des Isartales durch einen Hangbereich, der von großvolumigen Rutschungen geprägt ist (Hauptrutschung). Zudem befindet sich die Straße in einem naturschutzfachlich sensiblen Bereich (Fauna-Flora-Habitat (FFH) „Oberes Isartal“). Während des Verlaufes kreuzt die Straße mehrere sogenannte Teilrutschkörper, d. h. Bereiche innerhalb der Hauptrutschung, die sich auch unabhängig von dieser mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegen können. Aufgrund der unterschiedlichen Rutschbewegungen kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Schäden an der Straße. Solche Bewegungen können durch ungünstiges Zusammenwirken von verschiedenen Faktoren wie Hangneigung, Niederschläge, zusätzliche Belastung oder Einschneiden des Hangfußes beschleunigt werden. Aus diesem Grund ist die Staatsstraße auch für schwere Fahrzeuge mit einer Achslast von mehr als 16 Tonnen nicht befahrbar.

© Staatliches Bauamt Weilheim

Der Fokus der geplanten Sanierung liegt auf einem Teilrutschkörper, dessen Bewegungen seit über 20 Jahren Schäden an der Staatsstraße 2071 in Form von Rissen und Setzungsmulden verursachen. Diese Straßenschäden wurden seither laufend ausgebessert, zudem wurden die Bewegungen überwacht. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) führte diese Messungen durch.

Zunehmende Bewegungen führten zu ausgeprägten Schäden in der Straße, was im Sommer 2021 eine Straßensperrung erforderlich machte. Als Sofortmaßnahme wurden sogenannte Schroppenstützscheiben als temporäre Sicherungsmaßnahme errichtet, um zumindest wieder eine halbseitige Verkehrsfreigabe zu ermöglichen.

Aufgrund der komplexen Untergrundverhältnisse im Rutschungsbereich wurden weiterführende ingenieurgeologische Erkundungen vorgenommen. Hierzu wurden zusätzlich auch Messstellen zur Erfassung der Bewegungen in der Tiefe eingebaut.

Geologie und Hydrogeologie

Im Zielgebiet wird der tiefere Untergrund durch Sedimente der Oberen Süßwassermolasse aus dem Tertiär aufgebaut. Es handelt sich dabei um überkonsolidierte Ton-, Schluff- und Sandmergel - in Fachkreisen „Flinz“ genannt. Überlagert werden diese von Sedimenten aus dem Quartär. Dies sind hier eiszeitliche Ablagerungen wie Moränen und Schmelzwasser­schotter. Letztere sind Kiese, die häufig zu Konglomerat verfestigt sind („Nagelfluh“) und im Hangbereich die markanten Felswände bilden. Infolge der erosiven Eintiefung der Isar bildeten sich steile Talflanken, die - wie auch in diesem Hangbereich - immer wieder von großvolumigen Rutschungen betroffen sind. Infolge der Rutschungsprozesse kam es zu einer Aufarbeitung und Umlagerung des Ausgangsmaterials, d. h. der oben genannten Sedimente. Diese Rutschmassen wurden über den gesamten Isarhang verteilt, sodass ein Großteil des Hanges von einer unterschiedlich dicken, instabilen Auflage überzogen ist.

Der Straßenabschnitt, der nun zur Sanierung ansteht, liegt im Bereich eines aktiven Teilrutschkörpers. Mittels der vorgenommenen zeitintensiven Untersuchungen, z. B. Kartierung, Erkundungsbohrungen und Bewegungsmessungen konnten dessen Aufbau, seine räumliche Ausdehnung und dessen Aktivität erfasst werden. Die obere Grenze des Teilrutschkörpers befindet sich direkt im Bereich der Fahrbahn, seine Breite beträgt ca. 50,0 m. Die Gleitfläche des Teilrutschkörpers liegt in ca. 4,0 m Tiefe unter der Straße im oberen, aufgeweichten Teil der tertiären Sedimente. Der Teilrutschkörper liegt auf dem Hauptrutschkörper.

Das Wasser im Rutschkörper ist temporär vorhandenes Schichtwasser, das sich bei Niederschlag kurzfristig aufstaut. Bei Trockenheit dagegen dürfte kaum Wasser im Rutschkörper vorhanden sein. Dauerhaft vorhandenes Grundwasser tritt wahrscheinlich erst deutlich tiefer im Tertiär auf.

Kurzbeschreibung der Baumaßnahme

Die Stabilisierung des zu sanierenden Teilrutschkörpers erfolgt durch Errichtung sogenannter Erdbetonstützscheiben. Über den einzelnen Erdbetonstützscheiben, die senkrecht zur Fahrbahn stehen, liegt ein durchgehender Erdbetonrandbalken als verbindendes Element. Zusätzlich werden zwei Entwässerungsrigolen errichtet. Siehe hierzu die Infografik.

© Staatliches Bauamt Weilheim

Das „HZV“, ein außergewöhnliches Bauverfahren

Im baulichen Mittelpunkt dieser Sicherungsmaßnahme steht das Hydrozementationsver­fahren (HZV).

Funktionsweise

Mit dem Hydrozementationsverfahren (HZV) kann direkt am Einbauort ein sogenannter Erdbeton hergestellt werden. Hierzu wird dem Bodenmaterial, z. B. in einem geöffneten Graben, entsprechend den statischen Erfordernissen eine Zementsuspension (hydraulisches Bindemittel) zugeführt und sorgfältig durchmischt. Somit ist der geöffnete Graben im selben Arbeitsschritt gleich auch wieder verfüllt. Die Aushärtung des Erdbetons erfolgt durch chemische Reaktion. Das Verfahren bietet unter anderem den Vorteil einer kurzen Bauzeit und eines reduzierten Massentransportes.

Konkrete Anwendungsfälle

Im vorgestellten Projekt werden sowohl die Erdbetonstützscheiben als auch der sie zusammenhaltende Erdbetonrandbalken mit diesem nicht alltäglichen Bauverfahren hergestellt.

Erdbetonstützscheiben

Die Erdbetonstützscheiben werden senkrecht zur Straße, d. h. in Fallrichtung des Hanges eingebaut. Die stabilisierende Wirkung beruht darauf, dass der Erdbeton dabei Gewölbelasten aus der Böschung aufnimmt und diese in den Untergrund abträgt, wodurch die Böschung ausreichend standsicher wird. Die Erdbetonstützscheiben werden dabei so tief eingebaut, dass diese möglichst komplett auf tragfähigem bzw. nicht rutschendem Untergrund aufstehen und auch einbinden. Im vorliegenden Fall ist es das vorrangige Ziel, die Erdbetonstützscheiben unterhalb der erkundeten Gleitfläche des Teilrutschkörpers auf der Oberen Süßwassermolasse aus dem Tertiär zu verankern. Die Herstellung der Erdbetonstützscheiben erfolgt, wie oben beschrieben, in offener Bauweise, wobei die Baggerschlitze immer wieder direkt mittels Erdbeton verschlossen werden. Die Baggerschlitze und somit auch die Erdbetonstützscheiben haben eine Breite von 2,0 m und reichen bis in 5,0 m Tiefe.

Um die Standsicherheit der Böschung nicht zu gefährden, werden die Stützscheiben ab­schnittsweise im Pilgerschrittverfahren hergestellt.

Hierbei wird zuerst nur jede zweite Stützscheibe hergestellt und anschließend die „Lücken gefüllt “. Zudem erfolgt die Erstellung der Erdbetonstützscheiben nicht durchgehend, sondern auch abschnittsweise jeweils „von unten nach oben den Hang hinauf“. D. h. es werden zuerst die untersten im Böschungsfuß befindlichen Stützscheiben-Segmente der ungeraden Nummern erstellt, anschließend die untersten Segmente der geraden Nummern, dann das in der Böschung bergseitig anschließende Segment der ungeraden Nummern usw.

Im Falle Kloster Schäftlarn – Beigarten haben sieben der insgesamt 14 Erdbetonstütz­scheiben eine Gesamtlänge von ca. 19 m. Die anderen Erdbetonstützscheiben sind kürzer in verschiedenen Längen, angepasst an die Geometrie der Rutschung. Auch die Tiefe der Stützscheiben ist an die Form des Teilrutschkörpers angepasst. Siehe hierzu auch die Infografik.

Erdbetonrandbalken

Im Bereich des talseitigen Fahrbahnrandes wird - auch mittels des Hydrozementationsver­fahrens (HZV) - ein durchgehender, ca. 80 m langer Erdbetonrandbalken hergestellt. Dieser liegt direkt unter einem Teil der talseitigen Fahrbahn, verläuft senkrecht zu den insgesamt 14 Erdbetonstützscheiben und hat die Aufgabe, diese stabilisierend zu verbinden. Er ist 4,5 m breit und 1,5 m tief – siehe Infografik.

Entwässerungsrigolen

Für die Entwässerung des bergseitig vor allem bei Niederschlag anströmenden Hang­wassers werden zwischen den Erdbetonstützscheiben zwei ca. je 21 m lange Entwäs­serungsrigolen eingebaut. Die beiden Erdschlitze werden mit Kies verfüllt, um das Hangwasser aus der stabilisierten Böschung Richtung Isar abzuleiten. Das Wasser wird mittels Rigolen gefasst und über bestehende Gerinne in den tieferen, potentiell stabilen Hangbereich abgeleitet, wo es breitflächig versickern kann (siehe Infografik).

Im Anschluss an die Hangsicherung erfolgt die Sanierung der Fahrbahn der Staatsstraße 2071 im Bereich der Hangrutschung.

Naturschutz

Dieses anspruchsvolle Bauvorhaben wurde in enger Abstimmung mit den zuständigen Naturschutzbehörden geplant und umgesetzt, da es sich u. a. um einen sensiblen Bereich im FFH-Gebiet handelt. Die naturschutzfachlichen Eingriffe sind abgestimmt und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen.

Ziel

Ziel ist es, die Hangrutschung zu sichern, so dass noch vor dem Winter wieder die gesamte Fahrbahnbreite für die Verkehrsteilnehmer zur Verfügung steht.

Kosten

Die Baukosten der beschriebenen Maßnahme inkl. der Baukosten der temporären Sicherung und Erkundungsbohrungen werden nach aktuellem Kenntnisstand (Ende August 2023) voraussichtlich 0,9 Mio. € betragen.

Umleitung

Für die ca. sieben Wochen dauernde Bauphase (Beginn: 25. September 2023) besteht die beschilderte Umfahrungsmöglichkeit via Grünwald.

 

Zahlen – Daten – Fakten (siehe Infografik)

Steckbrief für den aktiven Teilrutschkörper

·         Erkundungsbohrungen bis 20 m Tiefe

·         Tiefe der Gleitfläche ca. 4,0 m

·         Stabilisierungslänge: ca. 80 m

·         Hydrozementationsverfahren (HZV) zur Stabilisierung der Böschung

Erdbetonstützscheiben

Bauverfahren: Hydrozementationsverfahren (HZV)

Position: 14 einzelne Erdbetonstützscheiben senkrecht zur Fahrbahn

Aufgabe: Stützung des Teilrutschkörpers

Maße: Länge: bis zu 19,5 m, Breite: ca. 2,0 m, Tiefe: ca. 5,0 m

Erdbetonrandbalken

Bauverfahren: Hydrozementationsverfahren (HZV)

Position: Durchgehend im Bereich des talseitigen Fahrbahnrandes

Aufgabe: Stabilisierende Verbindung der 14 Erdbetonstützscheiben

Maße: Länge: ca. 80,0 m, Breite: ca. 4,5 m, Tiefe: ca. 1,5 m

Entwässerungsrigolen

Erdschlitze mit Kiesfüllung zum Ableiten des Hangwassers

Position: Zwei Entwässerungsrigolen zwischen den Erdbetonstützscheiben

Maße: Länge: ca. 21,0 m, Breite: ca. 1,0 m, Tiefe: ca. 5,0 m

Kofinanzierung

Dieses Projekt wird im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert von der Europäischen Union.

Stand der Informationen: 29. August 2023